Man stelle sich eine Großfamilie vor. Das Geld reicht hinten und vorne nicht, man steht knietief im Dispo. Immer geht irgendwas kaputt. Vor kurzem hat die Waschmaschine den Geist aufgegeben, das Auto ist alt und klapprig und die Kinder benötigen praktisch ständig finanzielle Zuwendungen. Der Große will mit auf die Schulfreizeit und die Kleine wächst so schnell, dass der Geldbeutel mit dem Klamottenkauf nicht mehr nachkommt. Blöderweise ist auch das Haus in einem erbarmungswürdigen Zustand. Durch das marode Dach tropft es und die Heizung pfeift hörbar aus dem letzten Loch. Auf der Familienkonferenz diskutiert man sich die Köpfe heiß. Einig ist man sich nur, dass man irgendwie sparen muss und auf Luxusanschaffungen verzichten muss. Aber wo soll man den Rotstift ansetzen? Opa, der sowieso nie etwas verändern will, rät, sich einfach nicht um den Zustand von Dach und Heizung zu kümmern. Ignoranz kostet nun mal nichts. Mutter will alles nur „am Laufen“ halten und Vater? Der rät, alles Geld zusammenzukratzen, das man bekommen kann und in ein neues Dach und eine neue Heizanlage zu investieren. Denn das würde erstens in Zukunft Heizkosten sparen und zweitens würde eine Verschiebung der Renovierung dafür sorgen, dass später nicht noch mehr kaputt geht. Das ginge dann erst richtig ins Geld.
So ähnlich stellt sich die Diskussion um den städtischen Haushalt von Immenstadt dar. Sicher ist die Situation im Städtle wesentlich komplexer als die einer Familie. Wenn man aber davon ausgeht, dass wir alle zusammengehören und hier gut leben wollen, passt der Vergleich schon. Sicher ist daher, dass jede Stadtratsfraktion nur das Beste für die Gemeinde und ihre Bewohner will. Aber was ist, angesichts der mehr als angespannten Finanzlage das Beste? Und wie kann man den Stadtsäckel möglichst wenig belasten, dabei aber die Lebensqualität in Immenstadt erhalten oder gar verbessern? Was sich wie die Quadratur des Kreises liest, ist auch eine. Insgesamt fünf Vorschläge lagen auf dem Tisch und entschieden hat man sich mit 14 zu 11 Stimmen für einen Mix der Entwürfe von CSU und Bürgermeister Armin Schaupp. Über die anderen wurden aufgrund dieser Entscheidung nicht mehr abgestimmt. Um das Familienbeispiel an dieser Stelle noch mal aufzugreifen: Der Opa hat sich mit seinen Bedenken durchgesetzt, es wird daher nur das repariert, was wirklich nicht mehr funktioniert. Um einen Streit zu vermeiden, verkniff sich Vater die Bemerkung, dass Opa für die Misere des Familienhaushalts mitverantwortlich sei. Schließlich hätten Dach und Heizung schon erneuert werden müssen, als er noch das alleinige Sagen hatte.
Man muss der CSU aber zugute halten, dass es ihr – wie allen anderen Fraktionen im Immenstädter Rat – nur um das Beste für unser Gemeinwesen geht. Nur über die Definition, was denn nun das Beste sei, kann man trefflich streiten. Und das wird man sicher auch weiterhin, aber erst einmal wird das Abstimmungsergebnis von den Räten der Aktiven demokratisch mitgetragen. Dies aber sicher mit einem Bauchgrimmen, denn das, was sich – vor allem in puncto Schulen – mit dem Satz „Erhaltung des Ist-Zustandes unter zur Hilfenahme des Rotstifts“ zusammenfassen lässt, könnte uns allen irgendwann ziemlich teuer zu stehen kommen: In der Königseggschule wird 2018 erst einmal nur die vom Landratsamt eingeforderten Brandschutzmaßnahmen erledigt. Für uns wäre das nun tatsächlich ein Grund, optimistisch in die Schulzukunft zu blicken. Denn die Stadt könnte jetzt abwarten, ob die im Koalitionsvertrag von Union und SPD verankerten Fördermaßnahmen für den Bereich Schulbildung in der Realität umgesetzt werden – und Immenstadt für einen Neubau Unterstützung durch den Bund bekommen könnte. Aber hier stellt sich die CSU auf taub, man könnte mutmaßen, dass man dem eigenen Groko-Vertragswerk nicht traut. Es ist wohl aber doch eher so, dass für Räte der Christsozialen der Eigenkostenanteil des Neubaus immer noch zu teuer käme. Allerdings ist schon abzusehen, dass eine Sanierung unkalkulierbare finanzielle Risiken birgt. Ursprünglich wollte die CSU auch – bis auf die Bahnhofstraße – alle beschlossenen Straßensanierungsmaßnahmen bis 2021 zurückstellen. Aber Bürgermeister Schaupp insistierte hartnäckig und mit Erfolg darauf, in diesem zentralen Bereich nicht mehr zu warten. Denn die Situation sei jetzt schon katastrophal und die Kosten würden durch Nichtstun weiter wachsen. Deshalb werden nun auch Stadtspange, Mittagstraße und die Gemeindeverbindungsstraße zwischen Diepolz und Knottenried in Ordnung gebracht.
Tatsächlich wird durch diese Vorhaben bis zum Jahr 2021 eine Finanzlücke im Haushalt von 12,5 Millionen Euro entstehen. Diese lässt sich nur durch die vom Bürgermeister und der Verwaltung errechnete Grundsteuererhöhung auf 1.000 bis 1.200 Punkte oder eben durch massives Sparen erzielt werden. Man wird abwarten, ob sich im Stadtrat Mehrheiten finden, sich mit Maßnahmen zu beschäftigen, die einschneidend sein werden: Was wird aus dem Hofgarten? Kann man den Hort schließen und eine günstigere, aber mindestens genauso gute Ganztagesbetreuung für unsere Kinder anbieten? Was wird aus Hallen- und Freibad? Welche Möglichkeiten haben wir, die Bädersituation so zu optimieren, dass sie attraktiv für Bürger und Gäste ist – und den Stadtsäckel entlastet? Sollen die Finanzrichtlinien, denen sich der Stadtrat verpflichtet hat, eingehalten werden, dann kann es keine „heiligen Kühe“ mehr geben.
An dieser Stelle muss dann doch noch erwähnt werden, dass die Haushaltsentwürfe von Aktiven und SPD mehr und mutigere Zukunftsinvestitionen, aber auch das Einhalten der Richtlinien vorsahen –aber das grundlegende Dilemma unserer verschuldeten Kommune zog sich auch durch diese Vorschläge. Der beschlossene Haushalt folgt aber doch, zumindest teilweise, dem Motto: Was du heute kannst besorgen, verschiebe am besten gleich auf Übermorgen.“ Das spart uns für den Moment Geld.
Manfred Prescher
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