Herr Summerer vom Allgäuer Anzeigeblatt berichtet ausführlich über den Info-Abend zur Alpe Schönesreuth vom 11. September, bewertet das Thema in einem Kommentar und informiert über die wichtigsten Förderprogramme der Alpwirtschaft.
Foto: Herbert Waibel
Allgäuer Anzeigeblatt, Mi., 13. September 2017, S. 27
Bericht von Franz Summerer
Streit um die Alpe Schönesreuth
Konflikt Die Stadt Immenstadt veranstaltet einen Infoabend, um falschen Gerüchten den Boden zu entziehen
Immenstadt Malerisch oberhalb des Großen Alpsees gelegen ist Schönesreuth ein beliebtes Ausflugsziel. Fast genauso beliebt ist die Alpe als Objekt zum Streiten, seitdem die Stadt Immenstadt sie im Frühjahr 2016 erwarb. Anfangs wurde heftig über den Kauf an sich diskutiert, zuletzt stritten Wirtsfamilie, landwirtschaftlicher Pächter und Stadt. Für etwas Klarheit sorgte jetzt ein Informationsabend am Montag im Alpseehaus, zu dem Bürgermeister Armin Schaupp und Vertreter der Alpwirtschaft eingeladen hatten.
Anlass dafür waren eine Reihe von Gerüchten, die in der Stadt und im Internet kursieren. Sie reichen bis zum Abriss der Alpe, der angeblich geplant sei – „kompletter Unsinn“, heißt es am Montag dazu. Das Interesse an dem Thema ist jedenfalls groß: Über 100 Bürger füllen den Saal im ersten Stock. Alle sind gekommen – bis auf die Wirtsfamilie. Sie wollte sich auch nicht auf unsere Anfrage zum Streit äußern.
Zum besseren Verständnis erläutert Schaupp die Pachtverhältnisse einer Alpe: Wenn der Eigentümer sie nicht selbst bewirtschaften will, kann er die Alpe als Ganzes verpachten oder in Teilen – landwirtschaftlicher Bereich, Alphirt und Bewirtung der Gäste. Auf Schönesreuth hatte im Sommer 2016 noch die Weidegenossenschaft Vorderburg, der die Alpe früher gehörte, das Sagen. Als Hirten fürs Vieh und die Bewirtung der Menschen war die Pächterfamilie zuständig. Ihr fünfjähriger Pachtvertrag läuft jetzt im Oktober regulär aus.
Für den Alpsommer 2017 habe die Stadt zunächst überlegt, in Eigenregie die Landwirtschaft auf Schönesreuth zu übernehmen, wie Gerhard Honold, städtischer Leiter des Referats Forst und Naturschutz, erläutert. „Aber als Kommune hätten wir wichtige Förderungen nicht erhalten“, sagt Honold. Doch ohne die Zuschüsse wäre die Alpwirtschaft unrentabel (siehe Kasten). Deshalb habe man der Pächterfamilie die ganze Alpe samt Landwirtschaft angeboten. Honold: „Aber die Familie hat abgelehnt.“
Eingesprungen ist kurzfristig Robert Hindelang aus Betzigau, dem „die Alpwirtschaft am Herzen liegt“, wie er sagt. Er kümmerte sich um die Beschickung der Alpe mit Jungvieh. Zwischen ihm und der Pächterfamilie, die nach wie vor als Hirt für die Tiere und als Wirt für die Gäste zuständig war, kam es dann zum Streit. „Weil“, sagt Hindelang, „es Probleme bei der Versorgung des Viehs gab.“
Das bestätigt Stefan Zweng, der als Einziger der Weidegenossenschaft Vorderburg noch seine Tiere auf der Alpe Schönesreuth hat: Zu Beginn der Pacht vor fünf Jahren sei alles prima gelaufen, doch dann habe die Familie immer weniger landwirtschaftliche Arbeiten übernehmen wollen. Dagegen genießt die Pächterfamilie als Wirt bei den Gästen großes Ansehen. Das wird an dem Abend durch eine Reihe von Wortmeldungen deutlich.
Als es zum Bruch mit Hindelang kam, „mussten wir einschreiten“, sagt der Bürgermeister: „Wir haben Behirtung und Bewirtung getrennt.“ Die Pächterfamilie macht weiter den Wirt, fürs Vieh hat Hindelang Alex und Sarah Köhler aus Kempten gefunden – „und seitdem läuft’s bei den Tieren ohne Probleme“, sagt der Landwirt.
Stadtrat vergibt Pacht neu
Wie es künftig weitergeht, wird der Stadtrat entscheiden, nachdem die Pachtverträge Ende Oktober ausgelaufen sind. Mit Problemen, die Konzession für die Bewirtung der Alpe zu bekommen, wie eine Bürgerin glaubt, rechnet die Stadt nicht. „Die Schwierigkeiten, die wir mit dem Wasser hatten, wurden heuer behoben“, sagt Honold. Auch sonst habe Landwirt Hindelang einiges – beispielsweise in den Wegebau – investiert. Deshalb will er sich mit seinem Hirt Alex Köhler erneut um die Pacht bewerben, diesmal um die ganze. Damit sollen – entgegen eines Gerüchts – keine großen Kosten auf die Stadt zukommen.
Und Florian Hierl, der sich im Immenstädter Stadtrat um die Landwirtschaft kümmert, räumt mit einem weiteren Gerücht auf: „Meine Familie hat keinerlei Interesse an der Alpe. Wir werden nicht ein Stück Vieh dort hochbringen.“
Kommentar von Franz Summerer
summerer@allgaeuer-anzeigeblatt.net
Jetzt nach vorne schauen
Eine Alpe als Zankapfel: Den Landwirten und der Stadt Immenstadt geht es an erster Stelle um das Vieh und eine funktionierende Alpwirtschaft. Viele Bürger, die als Gäste Schönesreuth genossen haben, wollen die bisherige Wirtsfamilie behalten. Zwischen diesen beiden Polen bewegte sich die Diskussion am Montagabend.
Doch das Tischtuch ist zerrissen und lässt sich nicht mehr flicken. Wie von der Familie zu hören war, hat sie mit der Alpe Schönesreuth auch abgeschlossen. Und das ist – trotz des schlechten Endes – gut so. Denn es bringt für beide Seiten sicher nichts, jetzt nachzutarocken. Besser ist es, sich auf einen Neuanfang zu konzentrieren und im nächsten Jahr Ruhe auf den Berg zu bringen.
Das wird so schon nicht leicht werden. Denn immer wieder kommt die Frage hoch, warum die Stadt – bei ihrer schlechten Finanzlage – überhaupt 1,15 Millionen Euro für die Alpe ausgegeben hat. Darauf antwortet der Bürgermeister wie immer: um sie der Allgemeinheit zu erhalten. Denn wer könne schon wissen, an welchen Besitzer sie gefallen wäre, hätte die Stadt nicht zugeschlagen. Das sollten die, die als Gäste gerne da oben sitzen und auf den Alpsee schauen, nicht vergessen.
INFO
Förderung der Alpen
Die Alpwirtschaft wird von der Europäischen Union und vom Freistaat Bayern durch Zuschüsse gefördert. Denn ohne Zuschüsse wäre sie unrentabel. Als Folge würden die Alpen mit Büschen und Bäumen zuwachsen. Laut dem Amt für Landwirtschaft gibt es drei Förderungen für die Beweidung:
Allgemeine Betriebsprämie für landwirtschaftliche Flächen:
270 Euro pro Hektar.
Ausgleichszahlung für Berggebiete:
200 Euro pro ha.
Förderung von extensiver Bewirtschaftung:
80 Euro pro ha.
Zur Alpe Schönesreuth
gehören als Grund 25 Hektar, davon 22 Hektar Wiesen. Außerdem sind 21 Hektar dazugepachtet – also insgesamt 43 Hektar Weidefläche .
Weitere Zuschüsse (maximal 50 Prozent)
gibt es für Sanierungsarbeiten an Gebäuden (bis 56 000 Euro) sowie Reparaturen an Wegen, Zäunen oder der Wasserversorgung (jeweils bis 15 000 Euro).
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